Ein Sommelier muss doch etwas mit Wein zu tun haben, oder? Vielleicht noch mit Sekt oder Whiskey. Aber Kaffee? Und ob. Zwar bezeichnet der Begriff ursprünglich einen Weinkellner. Mittlerweile gibt es jedoch Sommeliers für Brot, Milch, Käse und eben auch den Beruf des Kaffeesommeliers. Aber was ist das und wie wird man so ein Feinschmecker für das braune Gold?
Kaffees können mehr Geschmacksnuancen entfalten als die teuersten Weine. Geht man bei Wein von circa 400 Aromen aus, bietet Kaffee mehr als 800. Kaum ein anderes Naturprodukt liefert mehr Komplexität im Geschmack. Diese Vielfalt schenkt gutem Kaffee seine Faszination und den schier unendlichen Abwechslungsreichtum.
Guter Geschmack für Spezialitätenkaffees und Industrieröstereien
Gerade im Bereich der Spezialitätenkaffees sind eine gute Nase und ein ausgebildeter Geschmackssinn Voraussetzung. Immerhin will man aus den sorgsam gezüchteten Rohbohnen das beste Röstergebnis herauskitzeln. Nur mit viel Wissen und Training schmeckt man nach einer Proberöstung, wie der Prozess verändert und verbessert werden könnte.
Aber auch industrielle Röstereien sind auf Kaffeesommeliers angewiesen. Immerhin erwarten deren Kunden von ihrem Lieblingskaffee aus dem Supermarkt genau den Geschmack, der ihnen jeden Morgen so vertraut ist. Als Agrarprodukt unterliegt aber auch Kaffee Produktionsschwankungen und nicht jede Ernte schmeckt gleich. Mit einem gut trainierten Geschmackssinn gelingt es dem Sommelier aber, mit leichten Veränderungen für jede Packung das Signature-Aroma zu treffen.
Wo wird man Kaffeesommelier?
Kaffeesommelier ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Jeder kann sich im Prinzip also erstmal so nennen. Genauso wie der Barista bezeichnet er eine Person, die durch Erfahrung und Übung zum Experten auf seinem Gebiet geworden ist. Einige Kaffeeschulen in Deutschland bieten mehrtätige Fortbildungen zum Kaffeesommelier an. Bei manchen winkt am Ende sogar ein IHK-Zertifikat.
Wer Kaffeesommelier werden möchte, drückt also in den meisten Fällen keine Schulbank. Geschmack und Sensorik sind komplexe Instrumente unseres Körpers, die durch lange Übung zur Geltung kommen. Am besten lernt man diesen Beruf also bei der dauernden Beschäftigung mit diesem Thema. Immer wieder riechen, schmecken, sich überprüfen.
Grundwissen über Kaffee ist Voraussetzung
Wer sich dazu entscheidet, eine Weiterbildung als Kaffeesommelier zu belegen, sollte bestimmte Voraussetzungen mitbringen. Ziemlich selbstverständlich: Liebe zu Kaffee und seinen verschiedensten Variationen. Darüber hinaus sollten Kenntnisse über die Biologie der Kaffeepflanzen, deren Aufzucht und Anbau vorhanden sein. Genauso muss der angehende Sommelier wissen, was beim Rösten passiert und wie man bei diesem Prozess die Parameter verändern kann. Über Zubereitungsarten weiß er selbstverständlich auch Bescheid.
Man merkt schnell: Ein Kaffeesommelier sollte schon ziemlich viel wissen, wenn er sich entscheidet, tiefer in die Sensorik einzutauchen. Dabei muss er die praktischen Schritte des Anbaus, der Aufbereitung, Röstung und der Zubereitung nicht beherrschen. Um sich aber im Kaffeekosmos souverän bewegen zu können, sind Grundkenntnisse in diesen Disziplinen sehr hilfreich, um später wertvolle Arbeit leisten zu können.
Ausbildung der Sinne
Im Grunde wird in der Ausbildung zum Kaffeesommelier der komplette Weg einer Kaffeebohne durchleuchtet. Vom Anbau bis zur Zubereitung. Im Zentrum steht das Cupping, die standardisierte Form der Kaffeeverkostung. Um in jeder Tasse die richtigen Aromen herausschmecken und zuordnen zu können, ist das Training der eigenen Sensorik eine der Hauptaufgaben während der Ausbildung.
Sensorik dient dabei als Überbegriff für die sinnliche Erfahrung von Geschmack, Aroma und Flavour. Während Geschmack auf der Zunge stattfindet und Aroma über die Nase wahrgenommen wird, bezeichnet Flavour die Summe der beiden, umfasst aber auch das Mundgefühl. Espressi fühlen sich im Mund zum Beispiel etwas dickflüssiger an als Filterkaffee. Im Gesamteindruck des Flavours spielt das neben Geschmack und Aroma natürlich eine wichtige Rolle. In seiner Ausbildung lernt der Kaffeesommelier seine verschiedenen Sinne zu schärfen und detailliert wahrzunehmen.
Im Cupping liegt die Kunst
Um den Geschmack einer Kaffeeröstung objektiv testen zu können, haben Experten ein Verfahren erfunden: Das sogenannte Cupping. Wie der Name nahelegt, spielen auch viele Tassen eine Rolle, aber von vorne.
Um Geschmack, Geruch und Flavour neutral testen zu können, spielt die Art der Zubereitung keine Rolle. Beim Cupping wird also weder Filterkaffee, noch Espresso, noch die Herdkanne bemüht. Das Cupping selbst ist eine der einfachsten Arten der Kaffeezubereitung: Eine festgelegte Menge Kaffeemehl wird in einer Tasse mit einer ebenso festgelegten Menge Wasser aufgegossen. Der Mahlgrad der Bohnen, sowie Geschmack und Temperatur des Wassers spielen natürlich auch eine Rolle.
Bevor das Wasser jedoch ins Spiel kommt, wird zuerst der Geruch der ganzen und schließlich der gemahlenen Bohnen aufgezeichnet. Dasselbe passiert auch nach dem Aufgießen. Nach einer bestimmten Ziehzeit wird die oben schwimmende Kaffeekruste mit einem Löffel durchbrochen und eine gute Nase voll (im besten Falle) köstlichem Duft genommen.
Mit zwei Löffeln fischt der Sommelier das Kaffeepulver aus der Tasse, weil es nach dem ständigen Riechen nun endlich ans Schmecken geht. Von einem speziellen Cupping-Löffel schlürft der Kaffeesommelier mit einem kräftigen und oft sehr lauten Geräusch den Kaffee in seinen Mund. Das ist oft trainiert, dauert den Bruchteil einer Sekunde und hat den Vorteil, dass der Kaffee mit viel Luft in die Mundhöhle gelangt.
Dadurch verteilt sich der Kaffee gleichmäßig auf alle Zungenregionen und die Geruchsstoffe dringen bis zu den Nasenschleimhäuten vor. So kann der Sommelier ein umfassendes Erlebnis aus Geschmack und Geruch testen. Weil Kaffee beim Abkühlen stark seinen Geschmack verändert, wiederholt sich dieser Vorgang mehrmals. Außerdem kann so das Mundgefühl des Aufgusses besser bewertet werden.
Dem Kaffeesommelier steht ein standardisiertes Cupping-Formular beiseite, dass in klaren Kategorien, die Eigenschaften des zu testenden Kaffees abfragt. [Hier ein Bild vom SCA-Bogen?]
Sensorik als Kompass des Kaffeesommeliers
Eine Reise ohne Landkarte führt in den wenigsten Fällen ans Ziel. Ein Kaffeesommelier orientiert sich an seinen Sinnen. Das geht nur, wenn er sie richtig interpretieren kann. Unser Geschmacks- und Geruchssinn reagiert auf bestimmte chemische Stoffe. Auf Molekülverbindungen oder einzelne Atome. Eine Erdbeere wird man ziemlich schnell als solche erkennen, wenn man sie isst. Erdebeeraroma in einem Kaffee herauszuschmecken ist dabei gar nicht mehr so einfach. Erstens fehlt die Erkenntnis, dass man gleich eine Erdbeere kauen wird. Und zweitens findet sich dieses Aroma unter vielen anderen wieder.
Geschmack muss geübt werden
Ein Kaffeesommelier trainiert deshalb seine Fertigkeit in der Geschmacks- und Geruchsanalyse. Zum einen gibt es Sinn, auch im Alltag ganz bewusst zu schmecken und zu riechen. Sich regelrecht versuchen zu merken, was den Geschmack von Rhabarber von einer Grapefruit unterscheidet. In der Ausbildung zum Kaffeesommelier stehen aber auch Aroma-Proben zur Verfügung. In kleinen Fläschchen lagern die gängigsten Kaffeearomen in synthetisch-reiner Form. Mithilfe dieser Aromen trainiert der Sommelier seinen Geruchssinn. Moment, beim Kaffee geht es doch um’s Schmecken! Das stimmt wohl, aber nur wer gut riechen kann, kann auch gut schmecken. Wir erinnern uns: Am Ende ist der Flavour wichtig, also der Gesamteindruck der Sinneserfahrungen.
Gute Kaffeeröster sind immer auch Sommeliers
Kaffee rösten ist im Grunde die Kunst ein großes Potential vollständig auszuschöpfen. Die vielen Geschmacksträger, die die Pflanze über Jahre in seine Früchte eingelagert hat, wollen durch die Röstung zu vollem Glanz gebracht werden. Ein Röster muss also schmecken können, ob er schon am Ziel ist, oder ob der Röstprozess noch verbessert werden muss. Und dazu braucht er die Skills eines Kaffeesommeliers.
Cornelius Schelling – der Corny in Corny’s Finest – hat sich zum Kaffeesommelier ausgebildet. Beim Cupping auf der Farm in Brasilien, beim Rösten seiner Kaffees oder nach der Zubereitung in Cornys Kaffeebus – am Ende entscheiden seine Sinne, welche Kaffees gut genug sind, im Portfolio zu landen. Für diesen Artikel haben wir ihn mal direkt gefragt:
Corny, was macht ein Kaffeesommelier?
Der Kaffeesommelier (Sommelier = Mundschenk) hat gegenüber dem Barista tiefer gehende Kenntnisse in den Bereichen Botanik, Anbau und Verarbeitung von Kaffee. Sein Schwerpunkt liegt eindeutig in der Sensorik. Die Beurteilung der Qualität und die Beschreibung der Eigenschaften des Kaffees sind ein entscheidender Teil dieser Tätigkeit.
Warum wolltest Du einer werden?
Seit vier Jahren gibt es nun mein Unternehmen Corny’s Finest. Seit jeher sage ich, dass ich eigentlich keine Ahnung habe von dem, was ich mache, aber es klappt sehr gut. Deshalb war es nun nach viel eigener Weiterbildung wichtig, sich einmal richtig fundiert weiterzubilden. Hier kam mir für meine Geschäftsidee, den Vertrieb und Co. die Ausbildung zum Kaffeesommelier IHK perfekt gelegen.
Wie sieht die Ausbildung aus und was lernt man dort?
Die Kaffeeschule Hannover bietet zusammen mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) die Fortbildung zum Kaffeesommelier an. Hauptinhalt ist vor allem der sensorische Teil: Die drei Komponenten Geschmack, Aroma und Flavour müssen wir Absolventen erkennen, wiedererkennen und bewerten. Das geschieht hauptsächlich beim Cupping, der professionellen Verkostung und Bewertung von Kaffee.
In der Theorie erfuhren wir Details zum Rohkaffeehandel. Wie werden Rohkaffees bewertet, wie erhalten sie ihr Grading und welche Fehler und Defekte weisen sie auf? Einige Kaffees werden speziell bearbeitet. Für entkoffeinierten Kaffee oder Schonkaffee gibt es spezielle Prozesse, die ein Kaffeesommelier kennen muss.
Sehr wichtig ist ein fundiertes Wissen über die Anbaugebiete und die Varietäten der Kaffeepflanze. Die Unterschiede sind hier enorm und prägen krass den Geschmack von Kaffee. Am Ende muss ich natürlich auch wissen, was beim Rösten vor sich geht und wie der Geschmack hier beeinflusst und veredelt werden kann.
Wie muss ich mir die Abschlussprüfung vorstellen?
Man kommt etwas aufgeregt und gespannt in die Kaffeeschule und hat eine praktische und theoretische Prüfung zu allen Themen, die wir über die Kurswoche behandelt haben. Im praktischen Teil mussten wir bei einem Cupping Kaffees in der Tasse bewerten. Es wurde geprüft, ob wir Geschmack, Aromen und Flavour von umami bis süß und sauer richtig unterscheiden können. Daran schloss sich die theoretische Abfrage unseres Wissens an.
Wie setzt Du Deine Fähigkeiten als Sommelier bei Corny's Finest ein?
Wir sind ständig auf der Suche nach Verbesserungen und einem noch besseren Ergebnis für unsere Kunden. Hier hilft es mir nun extrem bei der Auswahl neuer Rohkaffees. Und es verleiht mir ein ganz neues Selbstverständnis in der Kommunikation mit Importeuren, Röstern und Co.
Ebenso spannend ist es Kaffees, Röstproben und bei Cuppings viel mehr bewerten zu können. Damit kann ich die perfekt passende Röstung sowie die richtige Bohne für den jeweiligen Kaffee auswählen.
Im Endeffekt hilft es bei allem: Der Auswahl von Rohkaffee, der Röstprofile, in der Kommunikation zu Kunden und dem eigenen Team.
Hast du noch einen ultimativen Tipp oder Kaffee-Empfehlung?
Probier unbedingt ab September unsere neuen Kaffees – wir haben uns viel Gedanken gemacht und sehr viel Zeit in unsere neuen Kaffees investiert. Es warten wahnsinnig tolle Espressoröstungen und leckere Filterkaffees auf Dich, von klassisch schokoladig bis zu etwas Zitrusartigem und Floralem.
Fazit
Cornys Weg zum Kaffeesommelier ist eine langjährige Reise in der Kaffeebranche. Oft reicht es nämlich nicht, einen Ausbildungskurs zum Sommelier zu belegen. Kaffeesommeliers ziehen ihre Expertise aus Erfahrung. Jahrelange Beschäftigung mit Kaffee, seiner Herkunft, Verarbeitung und Zubereitung, liefert am Ende den Schlüssel zu seinen vielfältigsten Aromen.